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Das Museum der tanzenden Derwische

Von awo

Die Stadt Nikosia, die geteilt ist wie früher Berlin, heißt in ihrer türkischen Hälfte Lefkosa (unter das "S" gehört eigentlich noch ein Haken), abgeleitet vom griechischen Lefkosia. Auch diese Hälfte der Stadt hat einige überaus interessante Sehenswürdigkeiten und kann mit etwas bürokratischen Aufwand vom Süden aus "betreten" werden. So gibt es hier die seltene Gelegenheit zu einer faszinierenden Begegnung mit der geheimnisumwitterten islamischen Bruderschaft der „Tanzenden Derwische“.

Dazu muss man das Mevlevi Tekke Museum besuchen, das sich innerhalb der Stadtmauern wenige Meter südlich des Kyrenia Stadttores an derjenigen Straße befindet, die zum Atatürk-Platz führt. Mevlevi Tekke bedeutet Derwischkloster des Mevlevi-Ordens. Es ist an den sechs goldenen Kuppeln zu erkennen, die sich oben auf dem Dach des rechtwinkligen Gebäudes befinden.

Von dem Kloster, das in ottomanischen Zeiten (bis 1914) ein wichtiges kulturelles Zentrum auf Zypern gewesen sein soll, ist aber nur noch ein Rest übrig. Dieser ist heute als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Euro, der hier sozusagen die "Westwährung" darstellt, wird für die Zahlung des Eintrittspreises ebenso wie die Landeswährung akzeptiert.

Das Museum besteht im wesentlichen aus den beiden folgenden Räumen:

- einen großen Raum, genannt Semahane. Dieses türkische Wort ist zusammengesetzt aus "sema", das ist der rituelle Tanz der Derwische, und "han" (Haus, Herberge). Das Semahane vereinigt in sich gewissermaßen Elemente eines Tanzbodens und einer Moschee. Ich habe dort das Bild mit den tanzenden Derwischen aufgenommen.
- einen langen schmalen Raum, der ein Mausoleum für die Scheichs des Derwischklosters darstellt. Die Scheichs waren sozusagen die Vorstände des Klosters. Dort habe ich das andere Foto aufgenommen.
Der Gebäudekomplex mit den beiden oben genannten Räumlichkeiten und der Hof werden von einer Mauer von der Umgebung abgeschirmt.

In einem englischsprachigen Faltblatt, das vor Ort kostenlos erhältlich ist, finden sich unter anderem noch die folgenden Informationen:

"Der Mevlevi-Orden wurde von dem Dichter Mevlana Celaleddin Rumi gegründet, der 1207 im heutigen Afghanistan geboren wurde. Als er noch ein Kind war, emigrierten seine Eltern nach Anatolien und siedelten sich in Konya an. Dort studierte er unter der Kontrolle seines Vaters, und im Alter von 24 wurde er Professor für Geschichte, Theologie und Recht.

Die Philosophie der Mystik, die er in seiner Dichtung zum Ausdruck brachte und die er im Mevlevi-Orden weitergab, breitete sich von Konya bis nach Indien aus, und danach in der ganzen islamischen Welt. Seine Lehre betonte die Isolation der einzelnen Seele von Gott während ihres irdischen Daseins, und die Kraft der Gottesliebe würde sie im Augenblick des Todes in die Unendlichkeit zurückgeleiten. Recht skandalträchtig für die Muslims zu dieser Zeit, hob Rumi die Bedeutung von Musik und Tanz hervor, mit denen wechselseitige Liebe und Streben nach Gott ausgedrückt werden können, und der Mevlevi-Orden wurde über Jahrhunderte hinweg bekannt für seine Zeremonie des wirbelnden Tanzes. Auf Zypern war das Mevleni-Haus von Lefkosa das Zentrum der Sufi-Tradition auf der Insel. Es wird vermutet, dass der Mufti von Zypern, der 1607 aus Konya gekommen war, auch der erste Scheich des Mevlevi-Hauses gewesen ist.

Die Derwischklöster wurden in der Türkischen Republik per Regierungsdekret im Jahre 1925 geschlossen. Das Zentrum des Mevlevi-Ordens siedelte von Konya nach Aleppo in Syrien um. Auch wenn die Mehrheit der Zyperntürken für die Schließung der Derwischklöster in Zypern gewesen sein soll, erlaubte die britische Kolonialverwaltung trotzdem, dass die Tradition fortgeführt wurde. Der nächste Scheich für das Derwischkloster in Lefkosa wurde aus Aleppo anstatt aus Konya gesandt, aber mit seinem Tod 1954 endete die Ära, in der wirbelnde Derwische ihren heiligen Tanz im Mevlevi-Haus pflegten.

Früher umfasste das Mevleni-Haus einen ganzen Komplex von Gebäuden und bewirtschafteten Grundstücken. Es gab eine Küche für die Versorgung der Armen der Stadt. Es bestanden Unterkunftsmöglichkeiten für 18 Derwische und Gasträume für Besucher. Unter den Kuppeln befanden sich die Gräber der verstorbenen Scheichs. Es gab einen Innenhof für die Kontemplation sowie einen Obstgarten mit Mandel-, Granatapfel- und Feigenbäumen, die Früchte lieferten. Ein alter Brunnen und eine Zisterne sorgten für Wasser und es gab eine achteckige Wasserstelle für die rituellen Waschungen.

1956 wurde der Wohnbereich des Derwischklosters in eine Unterkunft für türkische Pflegekinder umgenutzt. Schließlich wurde das Derwischkloster 1961, auf Empfehlung des Direktors des Museums von Konya, ganz geschlossen. Nach einem Schriftwechsel wurde es 1963 als Zyperntürkisches Museum wieder eröffnet und zeigte Kalligraphie, kaiserliche Erlasse und Waffen wie auch die Kleidung der Mevlevi-Derwische und Grabsteine. Was vom Original-Derwischkloster übrig geblieben ist, waren das Semahane, wo die Derwische ihren Tanz pflegten, und die Gräber der Scheichs. Ansonsten ist fast alles abgerissen worden, als 1970 ein Einkaufszentrum errichtet wurde.

Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten am Semahane und den Gräbern der Scheichs, wurde das Mevlevi Museum formell am 17.Dezember 2002 eröffnet, wobei zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren wieder die Wirbeltänze der Derwische aufgeführt wurden. Dieses Datum war der Jahrestag des Todes von Celaleddin Rumi. Als Bestandteil des zyperntürkischen Erbes soll diese Zeremonie jedes Jahr am 17.Dezember aufgeführt werden.

Das Mevlevihane (das Anwesen also) betritt man durch einen überwölbten Durchgang, über den eine ottomanische Inschrift den Besucher darüber informiert, dass dieses das Haus des Mevlana ist. Nach dem Torweg kommt ein Innenhof, in dem Exemplare ottomanischer Grabsteine ausgestellt sind, die ausgezeichnete Steinmetzarbeiten darstellen. Diese Steine wurden aus verschiedenen Orten in Zypern zusammengetragen und datieren vom 18. bis zum 20.Jahrhundert. Auch wenn sie alle im ottomanischen Stil gehalten sind, weisen sie ebenso Elemente der Klassik, des Rokoko und der Moderne auf. Rechts befindet sich das Semahane, in das man von Osten durch einen überwölbten Durchgang eintritt. Die Balken der hölzernen Decke des Semahane ruhen auf zwei viereckigen Säulen. Eine Abfolge von Bögen teilt den Raum in zwei Bereiche. Der erste Raum beinhaltet eine Austellung von Rumis größten Gedicht, dem Mesnevi, zusammen mit Reproduktionen von ottomanischen Miniaturen und anderen Illustrationen. Links vom Eingang befindet sich die einzige erhaltene Zelle eines Derwisch, in der Kochutensilien, ein Tisch und andere von den Derwischen benutzte Gegenstände gezeigt werden.

Der zweite Raum im Semahane enthält den Mihrab, die nach Mekka gerichtete Gebetsnische. Die Fläche, auf der die Derwische tanzten, liegt niedriger und ist von ovaler Form. Entlang der nördlichen Wand befindet sich ein Balkon, auf dem die Musiker auftraten. Auf dem Boden des Semahane werden Kopien des Mesnevi ausgestellt, zusammen mit Musikinstrumenten und der Kleidung, die die Derwische trugen, während sie tanzten.

Durch den Durchgang, der dem Mihrab am nächsten liegt, gelangt man in den Raum, in dem die Scheichs des Mevlevihane begraben liegen. Unter den 6 Kuppeln befinden sich 16 Gräber, vom Kyrenia-Tor aus in Richtung Süden. Fotografien von einigen der Scheichs, Manuskripte und andere Gegenstände werden an den Wänden gezeigt, während die Gräber mit bestickten Stoffen bedeckt sind."

Auszugsweise Übersetzung des Faltblattes : Mevlevi Museum, hrsg. von Turkish Republic of Northern Cyprus, Department of Antiquities and Museums

Geschrieben 05.11.2010, Geändert 08.11.2010, 1635 x gelesen.

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