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Das Befreiungsdenkmal in Nikosia und seine Widersprüche

Von awo

Auf einer Bastion der historischen venezianischen Wallanlage, der Podcataro Bastion im südlichen Nikosia, befindet sich ein auffälliges Denkmal, das "Befreiungsdenkmal". Allerdings ist es gar nicht mehr so leicht, eine Beschreibung oder Erklärung zu finden, denn in den letzten Jahren wurde dieses Denkmal kaum noch in touristische Reiseführer aufgenommen, auch nicht in solche eher offizieller Natur. Es scheint kaum noch in die heutige Zeit zu passen.

Dabei hat es eine bewegte Geschichte hinter sich. Es wurde bereits ein Jahr vor der Unabhängigkeit von Zypern vom späteren Staatspräsidenten, dem Erzbischof Makarios bei dem pro-hellenistischen griechischen Künstler Ioannis Notaris bestellt. Anfang der sechziger Jahre kam es dann aber nur zur Errichtung des Marmor-Sockels, die Bronze-Figuren wurden zunächst zurückgehalten.

Das auf meinem Foto abgebildete Denkmal beinhaltet 17 Bronzefiguren. Die übergroße Figur an der Spitze personifiziert die Freiheit. Auf der Ebene darunter stehen zwei kleinere Figuren. Eine trägt eine militärische Mütze, beide haben Gewehre über ihren Schultern und ziehen an einer Kette, wodurch eine vergitterte Zellentür geöffnet wird. Aus ihr kommen 14, fast lebensgroße Figuren heraus, von denen sich ein Teil nach links, ein anderer Teil nach rechts über schmale Treppen bewegt.

Der eine Teil wird von einem Mann im Anzug angeführt. Eine seiner Hände ruht auf der Schulter eines Priesters hinter ihm. Es folgt eine junge Frau, die sich auf orthodoxe Weise bekreuzigt, und hinter ihr steht eher ängstlich ein alter Mann in Arbeitskleidung. Dahinter stützt sich noch ein zerfurchter Mann mittleren Alters an der Wand ab, anscheinend ein Folteropfer oder ein Gefangener.

An der Spitze des anderen Teils befindet sich ein Mann in traditioneller, ländlicher, zypriotischer Kleidung, gefolgt von einem entschlossen marschierenden jungen Mann. Dahinter kommt ein zweiter Priester und dann noch eine junge Frau, gekleidet wie eine Arbeiterin. An der Tür der Zelle hält eine trauernde ältere Frau mit einem Kopftuch inne, begleitet von einem Schuljungen.

Drei weitere Figuren warten noch darauf herauszukommen, links eine junge Frau mit niedergeschlagenen Augen, rechts ein Mann mittleren Alters, der ebenfalls nach unten blickt, und in der Mitte eine Frau mittleren Alters, die fest nach vorne schaut.

Das Denkmal wurde niemals vollendet. Eigentlich sollte es von Wasser umgeben sein, die Insellage von Zypern symbolisierend. Und auch Makarios und der Anführer des antitürkischen Kampfes, Grivas, sollten dargestellt werden. Dies wurde jedoch nicht mehr realisiert.

Der Grund dafür war, dass zunächst der Militärputsch in Athen und der türkische Einmarsch auf Zypern dazwischen gekommen waren. In dem Film Attilas '74 von Michael Kakoyannis spielt auch das Denkmal eine Rolle. Die Szene beginnt damit, dass auf die Freiheitsstatue geschossen wird, schließlich wechseln sich Aufnahmen von Zyperngriechen, die ihre Angehörigen vermissen, und von den emotional gestalteten Bronzefiguren des Denkmals miteinander ab.

Damit wurde das Denkmal von einem antikolonialistischen umgedeutet in ein solches, das das Opfertum der Zyperngriechen bezeugt. 1987, als Plaketten angebracht wurden, ließ man diese Interpretation noch einmal aufleben. Später geriet dies allerdings als allzu nationalistische Sichtweise in die Kritik.

2008 versucht Chrystalleni Loizidou in einem englischsprachigen Artikel wie folgt ein Resümé zu ziehen: "Als Kommentar auf den fließenden Charakter der politischen und historischen Wahrnehmung könnte mit etwas Fantasie gesagt werden, dass dies als ein Denkmal für Enosis (Anschluss an Griechenland) gestaltet, aber für die Unabhängigkeit in Auftrag gegeben und nach der Freiheit benannt wurde. (...) Kurz gesagt, ist es ein Produkt der komplexen Schwierigkeiten und Repräsentationsfragen rund um die Etablierung eines unabhängigen zypriotischen Staates. Die nachfolgende Behandlung dieser Arbeit kann am Ende gesehen werden als eine bündige und erschreckende Metapher der Kämpfe, der Irrtümer, der Zusammenfassung, der symbolhaften gerichtlichen Einziehung und historischen Vereitelung, die das neuerliche Aufleben der zypriotischen Nationalismen nach 1974 zum Inhalt hatte".

Der Artikel, der noch viele weitere Facetten enthält, ist in voller Länge auf folgender Seite nachzulesen: www.academia.edu/2369283/On_the_Liberty_ Monument_of_Nicosia

Geschrieben 07.07.2014, Geändert 08.07.2014, 3434 x gelesen.

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