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Bericht von einer Fahrt mit einem Greyhound-Bus im Jahre 2012

Von awo

Es ist noch dunkel an diesem ungemütlichen Oktobermorgen im nördlichen Ontario. Der Regen hatte aufgehört, glücklicherweise war noch kein Glatteis oder Schnee. An der Greyhound-Haltestelle hatten sich einige Leute versammelt, eingemummt in dicke Jacken mit Kapuzen. Dass die Ränder der Kapuzen mit Fellimitaten versehen waren, hatte ich schon öfter gesehen. Es schien der Mode in diesem Herbst zu entsprechen. Einige der Gestalten wurden vom Husten geplagt.

Der Bus stand auch schon da. Der Busfahrer sass nicht drinnen, sondern stand draußen und hatte alles im Blick. Er gab auch gerne Auskunft, das war schnell zu merken. Unser Gepäck mußten wir noch mit einem "Tag" (Anhänger oder Schild) ausstatten, dann lud es der Busfahrer unten in den Bus. Es war der Tagbus nach Toronto. Wie weit es dorthin war, habe ich nie genau erfahren, es konnten 600 Kilometer sein, aber vielleicht auch 800. Auf jeden Fall wies der Fahrplan aus, dass der Bus erst am Abend dort eintreffen sollte. Es verkehrte noch ein zweiter Bus, dieser fuhr über Nacht. Das ist der ganze Fahrplan, den die berühmte Greyhound-Busgesellschaft von Sault-Sainte-Marie nach Toronto zu bieten hat.

Wie sich herausstellte, mußten einige der Fahrgäste schon seit Tagen unterwegs sein, denn sie kamen aus den weiter westlich gelegenen Provinzen. Sie hatten Plätze im Bus, während die Neuen abwarten und mit den Plätzen vorlieb nehmen mußten, die übrig waren. Manche Doppelsitze waren nur von einer Person besetzt, die wenig Ambitionen hatte, jemand anderes neben sich zu akzeptieren. Alles regelte sich aber irgendwie und schließlich fuhr der Bus ab in die Dunkelheit und den wieder beginnenden Regen.

Der Busfahrer machte eine Ansage und informierte genau über den Ablauf der nächsten Stunden. Er würde erst einmal 2 Stunden fahren, dann an einem Café der Tim Horton-Kette halten. Die Pause würde 10 Minuten dauern, dann würde es noch einmal 2 Stunden weitergehen und gegen 11.45 Uhr Sudbury erreicht werden. So lief es dann auch.

An den Rändern von Sault-Sainte-Marie begann gleich die Wildnis oder der Busch, wie sie hier genannt wurde. Das sind Bäume, Sümpfe, Gewässer und Seen fast ohne Wege und scheinbar ohne Ende. Ab und zu berührten wir das Ufer eines der Großen Seen Nordamerikas, so in Thessalon, das im Sommer ein Badeort sein muss. Dann ging es viele Kilometer einen ungezähmten Fluss entlang, auf dem nur die Kanus mit den Voyageurs oder den Indianern fehlten. Ich glaube, ich habe ein Schild mit dem Namen "Serpent River" (Schlangenfluss) gelesen. Das würde jedenfalls passen, denn der Fluss lag mit vielen Windungen in dem flachen Land. An Hinweisen auf Indianer und ab und zu Verkaufsläden inmitten der Einöde mit der Aufschrift "Native Art" fehlte es nicht.

Die Umgebung von Sudbury schließlich war vom Bergbau geprägt, genauer gesagt war der Busch hier regelrecht "umgepflügt", riesige Tagebaue und hohe Halden beherrschten das Bild. Hier gab es eine Greyhound-Station, die der Bus ansteuerte. Es war ein flacher Bau mit Schalter und Warteraum, in dem es immerhin Kaffee, Getränke und Muffins gab. Die Station lag in einer unwirtlichen Gegend von ausgedehnten Parkplätzen rund um autogerechte Einkaufsmärkte. Bei dem Regen zogen wir es vor, in der Station zu bleiben, auch wenn es nicht sehr gemütlich war. Ach ja, ich vergaß: im Bus durfte niemand sitzen bleiben.

Der Bus sollte erst um 13.00 Uhr mit einem anderen Fahrer zurückkommen und nach Toronto weiterfahren. In der Wartezeit entwickelte sich eine undurchschaubare Geschichte (für uns jedenfalls undurchschaubar).

Wie uns schon auf der Fahrt aufgefallen war, hatte eine etwa 50jährige Frau in unserer Nähe eine große Bibel dabei und sprach andere Fahrgäste darauf an. Offensichtlich missionierte sie eifrig. Einer der Mitreisenden schien ihr aus Reue von irgendeinem Verbrechen berichtet zu haben und hatte offenbar zugestimmt, der Polizei als Zeuge zu Verfügung zu stehen. So kam es, dass in der Greyhound-Station von Sudbury immer mehr Polizisten erschienen und Zeugenvernehmungen durchführten. Außer Vermutungen erschloss sich uns aber nicht, worum es ging. Wir waren froh, als der Bus endlich weiterfuhr.

Auf diesem Fahrtabschnitt gab es die erste Pause nach 2 und einer 1/2 Sunde. Das Wetter war immer noch schlecht und der Busch unwirtlich, aber in gewisser Weise schön. Erst 120 Kilometer vor Toronto verkündete ein heller Lichtstreifen am Horizont ein Ende des Regens. Der Highway war zur Autobahn geworden, die Buschflächen zu Agrarflächen, von Bauernhöfen unterbrochen. Bevor wir aber unser Ziel erreichten, staute sich immer mehr Verkehr auf einer Art Ringautobahn und auch unser Bus hing fest. Sollten wir fahrplanmäßig eigentlich um 18.15 Uhr in der Busstation in der Innenstadt von Toronto eintreffen, die übrigens nicht schöner ist als ein Fährdeck oder eine Tiefgarage für Busse, so wurde es dann schließlich 18.45 Uhr.

Aber was sind solche Verspätungen schon in einem solch großen Land, in dem man, wenn man nicht fliegt, tagelang unterwegs ist?

Geschrieben 06.07.2013, Geändert 07.07.2013, 1136 x gelesen.

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